MAGIE
Wir haben das kostbare Räucherwerk entzündet,Um die Gespenster aus unseren Häusern zu verscheuchen.
Wir haben den Moschus, die Benzoe, den Sandel entzündet
Und die Kräuter in der Nacht
Der Ashura gepflückt.
Wir haben das kostbare Räucherwerk entzündet,
Den Moschus, die Benzoe, den Sandel, die Ambra,
Und die Geister haben unsere Häuser verlassen.
Doch welche Zauberkräuter, welche Düfte
Entzünden wir, um die grausamen Erinnerungen
Aus unseren Herzen zu vertreiben?
Die Erinnerungen an unsere Fehler, unsere Versäumnisse,
Gewissensbisse, Freuden, Schmerzen?
Unsere Brust bevölkern Verschwundene
Und Tote.
Welche Düfte, welches Räucherwerk, welche Worte
Befreien uns von ihnen?
UM DICH VON MEINER LIEBE ZU ÜBERZEUGEN
Um dich von meiner Liebe zu überzeugen, bräuchte ich Worte, wie sie die Dschinnen ihren Gespielinnen abends in den Gärten zuraunen, unter Jasminblüten und Rosen...
Ich bräuchte ewige Verse, wie sie Madschnun, ausser sich vor Liebe, für Leila, seine Schöne, sang oder wie sie Adam, aus dem Nichts erwacht, unter den Bäumen des Paradieses der jungen Eva sagte.
Um sie zu finden, diese mächtigen Worte, befragte ich die Liebenden und alle Zeitalter, ich befragte die Dichter und befragte mein Herz, mein glühendes, zärtliches, treues Herz...
In meinem Herzen fand ich die Worte, die über meine Lippen kommen müssen, um dich von meiner Liebe zu überzeugen: Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich – so lauten die magischen Worte, die ich gefunden.
DIE JUNGE ZIEGE LIEBT DAS GEBIRGE
Welcher Hirte könnte sie hüten?
Sie schlossen mich ins Haus ein,
Ich stieg auf die Terrasse.
Sie erhöhten die Mauern auf dem Dach.
Ich ging zum Garten hinunter,
Sie schlossen den Garten ab,
Sollen sie,
Ich jedenfalls würde lieber
Durch die Strassen und über die Wege schweifen,
Um die Süsse der Freiheit zu kosten
Und mich am Duft der Blumen zu berauschen.
Ich würde meine Füsse im Wasser kühlen,
Im treibenden Flusswasser.
Die Bauern bewirteten mich grosszügig
Mit köstlichem gelbem Honig.
Ich tränke Milch, die vom Euter der Schafe
Und Ziegen noch warm wäre.
Und ich ässe reife, frisch
Vom Ast gebrochene Früchte.
Im Schatten der Bäume lagerte ich
Oder auf ginsterduftenden Dünen.
Und ich schliefe in den starken Armen jener ein,
Die das Spiel des Zufalls und die Tage
Mit sich brächten.
Sie schlossen den Garten ab
Mit dornigen Hecken und hohen Mauern,
Sollen sie.
Die junge Ziege liebt das Gebirge,
Welcher Hirte könnte sie hüten?
Was kümmert mich dein Schicksal?
Soll ich etwa dem Klang deiner Stimme
Oder dem Blick deiner verlogenen Augen nachtrauern?
Wozu?
Ein anderer wird dich ersetzen.
Du bedeutetest mir, o Selim,
Nicht mehr als irgendein Mensch
Irgendeinem anderen.
Nicht mehr als einem spielenden Kind
Das Schilf, aus dem es ein Pferd macht,
Das Tuch, das es Zelt nennt,
Die Krumen, die es wie
Ein Festmahl isst.
Du warst bloss das sichtbare Zeichen,
Dazu bestimmt, ein wenig Wirklichkeit
In die Träume zu mischen, die in mir leben
Und die nichts, ausser dem Tod,
Zerstören kann.
O Sterne, ich glaubte, ihr wäret Diamanten,
Am Himmel glitzernd in alle Ewigkeit,
Ich glaubte, ihr wäret kalte Augen,
Gleichgültig über unserem Elend,
Juwelen, funkelnd in der dunklen
Haarpracht der Nacht...
Ein Gelehrter versicherte mir heute,
Dass die Gestirne, gebildet aus reinem
Äther und Feuer, leben und sterben wie wir.
Lieben sie auch wie wir,
Diese Gestirne aus feurigem Gold?
Durchleben sie Glück und Pein?
Wer weiss, ob der Abendstern,
Dessen liebliches Abbild die Teiche
Widerspiegeln, nicht den kalten
Polarstern geliebt hat?
Hat er gelächelt und geseufzt,
Hat er goldene Tränen vergossen?
Wird er uns je seinen einsamen Schmerz schildern?
O Sterne, die ihr lebt und leidet,
Sterne, die ihr liebt wie wir,
Seht meine Qualen, meine Tränen –
Er hat mich verlassen...
(aus dem Französischen von Florian Vetsch)